Im Jahr 2021 stand das Selbsthilferecht wieder im Mittelpunkt einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die klageführende Person wollte nicht akzeptieren, dass die Nachbarschaft die überhängenden Äste einer Schwarzkiefer entfernt und klagte auf Unterlassung. Die Gerichtsentscheidung lässt auch Kommunen aufhorchen.
Mittelbare Nutzungsbeeinträchtigung
Voraussetzung für das Selbsthilferecht nach § 910 BGB ist die erfolglose Aufforderung zur Beseitigung der Zweige. Dabei ist nach dem BGH-Urteil keine unmittelbare Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks erforderlich. Ausreichend ist bereits eine mittelbare Nutzungsbeeinträchtigung, z. B. durch herabfallende Blätter oder Nadeln. Ob der Überhang die Nutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt, spielt gemäß BGH keine Rolle.
Unzumutbarkeit bei drohendem Baumsterben?
Der Überhang muss selbst dann nicht geduldet werden, wenn durch den Rückschnitt z. B. das Absterben des Baumes droht. Die Betroffenen sind nicht verpflichtet, vor dem Rückschnitt die Zumutbarkeit zu prüfen. Dies steht dem Sinn des Selbsthilferechts in § 910 BGB zur raschen Erledigung von Nachbarschaftsstreitigkeiten entgegen. Naturschutzrechtliche Regelungen sind jedoch vor einem Rückschnitt stets zu beachten.
Keine Verjährung
Bei dem Selbsthilferecht nach § 910 BGB handelt es sich nicht um einen Anspruch, sondern um ein Recht. Es unterliegt nicht der Verjährung und bleibt auch bestehen, wenn der Überhang jahrelang geduldet wird. Zu beachten ist weiterhin, dass das Selbsthilferecht nach § 910 BGB ein Spezialgesetz ist und durch die Nachbarrechtsgesetze der Länder nicht eingeschränkt wird.